Aller Anfang ist schwer und ich erkenne schon nach kurzer Zeit, dass ich jedem Anfang eines guten Weges mit Demut begegnen sollte. Aber alles erstmal der Reihe nach. Ich reise mit meinem Wohnmobil nach Florenz, um dort meine Pilgerreise anzutreten und anschließend noch weitere Zeit in Italien zu verbringen. Das Wohnmobil lasse ich auf dem Parkplatz Parcheggio Villa Costanza in Florenz. Dieser Parkplatz erscheint mir als Abstellplatz für mindestens einen Monat als sicher. Der Platz verfügt über eine Ein- und Ausgangsschranke mit Kennzeichenerkennung und Videoüberwachung. Erreichen kann man den Platz nur von der Autobahn und er verspricht günstige Abotarife, so dass ich das Wohnmobil dort für €40,- einen ganzen Monat lassen kann. Zu guter Letzt ist er auch direkt durch eine Straßenbahn mit der Innenstadt verbunden.
Ich frühstücke und verspüre eine gewisse Trägheit. Klar, ein ruhender Körper vermag in Ruhe bleiben, wenn keine äußeren Kräfte auf ihn einwirken. Das besagt schon das erste Newtonsche Gesetzt. Und wenn er erstmal in Bewegung ist, dann bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit weiter, wenn keine äußeren Kräfte auf ihn einwirken. Das spüre ich am eigenen Körper ganz deutlich. Wenn ich beispielsweise liege, dann liege ich und bliebe am liebsten liegen, außer äußere Kräfte setzen mich in Bewegung. Wie meinen Harndrang, den ich auch den äußeren Kräften zuordne. Als ich noch klein war, hat es mich nur wenig gestört noch im Liegen in meine Windel zu pieseln. Bis mir meine Mutter beibrachte, dass ich auch auf’s Töpfchen gehen kann, was ich seitdem auch tue. Das macht voll Sinn, denn damit spare ich Zeit, da ich nicht ständig die nassgepieselte Wäsche wechseln muss. Aber wer weiß, vielleicht kommt die Zeit irgendwann zurück. Heute lasse ich meinen Körper in Ruhe, bis die äußere Kraft, der Gedanken „Ich will jetzt los, die Welt entdecken!“ in meinem Kopf auftaucht.
Das Pilgern beginnt.
Also raffe ich mich um 10 Uhr auf und fahre mit der Straßenbahn zum Hauptbahnhof, wo ich meinen kleinen Florenz Rundgang beginne. Es sind bereits einige Touristengruppen unterwegs und je näher ich in die Nähe des Doms gelange, häufen sie sich. Vor allem Schulklassen und Rentnergruppen. Ich bin genervt von den Fähnchen der Touristenführungen und dem wilden umher Gerenne und Gequatsche. Nur die modisch gekleideten Florentinerinnen die mir stolz mit einer Wolke feinsten Parfüms umgeben, begegnen, lenken mich von dem hektischen Treiben ab. Ich flüchte mich in die Santa Maria della Croce. Laut Reiseführer ist es die bedeutende Kirche für Franziskuspilger. Ich besuche die Kirche und denke die 8€ Eintritt könnte man den Pilgern ruhig erlassen, zumal die Motive mit dem heiligen Franz nicht wirklich sichtbar sind, da sie gerade restauriert werden.
Nach der Besichtigung in der Kirche ist es 12 Uhr. Ich fülle meine Wasserblase an dem nächstbesten Brunnen und pilgere los. Erstmal flach am Ufer des Arno entlang. Dann geht es leicht bergauf und in Bagno komme ich gleich zweimal vom guten Weg ab. Na, das geht ja schon mal gut los. Ich blättere in meinem Wanderführer und finde eher zufällig als durch die Beschreibung wieder den Anschluss zum markierten Weg.
Es ist unfassbar heiß und nach drei Stunden bergauf brauche ich eine Pause. Auf dem Weg blicke ich zurück und sehe wie die Silhouette von Florenz immer weiter in die Ferne rückt. Die Intervalle meiner Pausen werden kürzer. Ich fühle mich kraftlos und jeder Schritt bedeutet enorme Anstrengung. Zudem ist die Wegeführung eher uneindeutig oder sogar irreführend. Das kann ich jetzt gerade gar nicht gebrauchen. Ich entscheide mich für den Weg der nirgendwo hinweist und komme wieder auf einen guten Weg und letztlich zum Convento Incontro. Das sollte mit 568m ü N.N. der heutige Höhepunkt sein. Ich lege mich erstmal flach auf eine Steintreppe, entspanne und versuche wieder zu Kräften zu kommen.
Ich pilgere weiter und es geht erfreulicherweise nur bergab. Meine Stöcke verhindern auf dem gerölligen Weg mehrere potentielle Stürze. In Rosano decke ich mich in einer Bodega mit Brot, Käse, Bier und einer Cola ein, denn nachdem es den ganzen Tag nur Wasser gab, habe ich jetzt Lust auf einen anderen Geschmack. Der Weg führt durch eine wenig attraktive Wohnsiedlung und führt zum Schluss an der Sieve, einem Nebenfluss des Arno in das sehr übersichtliche Centro von Pontassieve. Es ist 20 Uhr und ich bin entkräftet. Erstmal pausiere ich auf der Piazza vor dem Rathaus und schaue wie es nach den heutigen 28km über 900 Höhenmetern weitergeht.