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Neid.

Panorama Monte Subasio

Gelegentlich bin ich neidisch. Nicht auf diejenigen die mehr oder schönere Sachen oder was weiß ich haben. Nein. Hier auf dem Weg bin ich gerade beim bergauf pilgern neidisch auf diejenigen, die mit leichterem Gepäck unterwegs sind und nicht so schwere Lasten mit sich herumschleppen wie ich. Das sind die Momente, wo ich mich besinne weshalb ich so viele Dinge dabei habe. Überwiegend, um meine Unabhängigkeit von Wetter und Zimmerverfügbarkeit sicherzustellen. Und schon wird es leichter. Um mich dennoch mal einzufühlen, wie es ist mit leichtem Gepäck unterwegs zu sein, pilgere ich heute nur mit Daypack Rucksack hoch auf den Monte Subasio.

Leicht geht es aufwärts. Oben angekommen genieße ich den atemberaubenden Blick über Umbrien. Ich bin ganz nah am Himmel. Von hier oben, vom Gipfel gewinne ich den Überblick. In Einsamkeit und Stille blicke ich auf meinen Weg zurück, blicke auf die Etappen die vor mir liegen und genieße mein Sein im Hier und Jetzt. Von hier oben schaut alles zum Greifen nahe aus. Ich reflektiere mit wem war ich gerne auf einer Wegstrecke, mit wem lief es leicht und mit wem war es eher anstrengend, beziehungsweise wem laufe ich hinterher und vor wem laufe ich weg?

Ich sinniere über das Bild auf welchem Franz die Tauben segnet und wo er sich über das Evangelium den Weg vom Sichtbaren hinein ins Unsichtbare, die Schöpfung und darüber den Weg zu Gott erschlossen hatte. Genau so verhält es doch, wenn ich jemanden kennenlerne. Vom Sichtbaren der Kleidung, der Mimik, der Gestik, dem Verhalten erschließe ich mit das Unsichtbare, eben die Werte und Einstellungen des Anderen.

Gerade kommt mir der abstrakte Gedanke: „Städte sind Stätten, wo des Schöpfers Geschöpfe schöpften und dort heute meist erschöpft sind.“ Es hängt alles irgendwie zusammen.

Ich steige vom grasbewachsenen 1.290m hohen Gipfel des Monte Subasio wieder hinab. Der Weg über die Straße erscheint mir unverhältnismäßig lang und so laufe ich auf Sicht einfach der Falllinie nach zu einem Gipfelkreuz. Dann suche ich mir Trampelpfade und wie aus dem Nichts taucht plötzlich ein Wegweiser zur Eremo Cerceri auf. Der Weg verschwindet im Wald und ich auf demselbigen ebenso. In Serpentinen laufe ich beschwingt und mit Leichtigkeit abwärts.

Statue des Franziskus

Ich besichtige die Einsiedelei und genieße die Ruhe. Zuerst betrachte ich mir San Francescos Schlafstelle und seine Kapelle. Verlasse diese Stätte durch eine winzige Tür, die ich nur gebückt und mit angelegten Armen passieren kann. So gelange ich in eine Schlucht in welcher ich die Höhlen der ersten Brüder besichtigen kann. In der Luft liegt ein Duft von Thymian.

Die Franziskus Statue beeindruckt mich, denn sie umfasst alle Weltreligionen und drückt die universelle Liebe des Franziskus aus. Ich pilgere zurück nach Assisi, um mich erstmal in einer Bar zu erfrischen, denn mein am Morgen begonnener Rundgang war immerhin 22km lang, wobei ich über 1.000 Höhenmeter überwand. Es war fast spielerisch diesen Weg mit leichtem Gepäck zu begehen.

Danach laufe ich zu San Damiano, ein wenig außerhalb von Assisi. In dieser Kirche empfing der heilige Franz von dem Kreuz die Botschaft, dass er die Kirche renovieren solle. Daraufhin nahm er ungefragt die Stoffe seines Vaters und verkaufte sie auf dem Markt in Foligno, um das Geld für die Renovierung zu bekommen. Sein Vater war damit nicht einverstanden, was ich durchaus nachvollziehen kann und es entstand der Konflikt .

In San Damiano waren einige Touristengruppen und es gab sogar Führungen in Gebärdensprache. Die heilige Chiara, die Franz sehr nahe stand, lebte und starb dort im Alter von 60 Jahren. Es berührt mich, wie sehr für Franz und auch für Chiara die Suche nach Sinn so viel erfüllender war, als die Suche nach Erfolg und monetärem Wohlstand.

Kreuz in San Damiano

Anschließend besichtige ich noch die Basilika Santa Chiara wo das Originalkreuz aus dem 12. Jahrhundert hängt. Die Gestaltung des Jesus am Kreuz begeistert mich, denn ich erkenne Jesus nicht leidend und gewunden am Kreuz, sondern aufrecht und geradezu aufstrebend. Das macht diese Darstellung besonders.

Anschließend gehe ich zurück auf mein Zimmer, schnappe mir einen Stuhl, setzte mich auf den Balkon der Herberge. In der Abendsonne genieße ich den Blick über die Ebene.

Um 19 Uhr pilgere ich auf die Piazza Comune und bin überrascht, dass ich keine bekannten Pilger sehe. Ich erinnere mich an die Verabredung, dass alle die noch verblieben sind, sich noch einmal zum Abschied treffen. Aber vielleicht sind Abschiedsrituale nichts für den ein oder anderen. Eine Weile sitze ich alleine in der Bar. Dann trudelt erst die Münchnerin und dann die Lehrerin, die heute in Assisi ankam, ein. Von den anderen war immer noch keine Spur und so gehen wir zu dritt in die Pizzeria Othello. Ich nehme wieder einen Salat und einen Portion Pasta mit Wildschweinbolognesesauce. Sehr lecker und bestimmt förderlich für die Etappe des nächsten Tages.

Als die Dämmerung einsetzt, gehen wir noch gemeinsam zur Basilika San Francesco, um die Abendstimmung einzufangen. Die Stimmung ist ein wenig wehmütig, denn wir werden uns wohl nicht wieder sehen. Wir trennen uns in Dankbarkeit für die Begegnung.

Ich bin kein bisschen neidisch, dass sie weiter in Assisi bleiben beziehungsweise morgen nach Hause fahren. Nein ich bin zufrieden und froh mit dem was ich habe: eine weitere Zeit auf meinem weiteren Weg nach Rom. Ich betrauere jedoch die Trennung von den in kurzer Zeit so vertraut gewordenen Menschen, aber so spielt das Leben. Es besteht aus Veränderungen, aus Begegnungen und Trennungen. Wobei ich das was ich in einmal in ein Herz geschlossen habe, nicht mehr raus lasse. Auch wenn es für mich nicht mehr greifbar ist. Pace e Bene.

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